(This article is only available in German)
Sie galt als altbacken und spießig. Doch jetzt erobert die Tapete die Wände zurück. Ob mit Retromuster oder eigenem Fotomotiv: Es wird wieder geklebt.
Am Samstagvormittag, wenn es am Prenzlauer Berg nur so wimmelt von Flaneuren, ist es mit der besinnlichen Ruhe im Showroom von Berlintapete vorbei. Viele Neugierige schieben sich staunend durch den kleinen Raum, der mal Waldansichten, mal an der Fotos in überdimensionaler Größe zeigt. Was aussieht wie eine Bilderausstellung, ist in Wirklichkeit Wanddesign in einer neuen Form. "Wir schaffen einen ruhigen Punkt in der Wohnung auf der höhe der Zeit", beschreibt der Geschäftsführer Aram Radomski sein Angebot.
Früher hieß das, was er macht, schlicht Fototapete, und die war der Inbegriff der Spießbürgerlichkeit. Doch das Blatt hat sich gewendet. Nicht nur Fototapeten, die Tapete überhaupt verdrängt die Raufaser und erobert die Wohnräume zurück. Allerorten prangen die Papierbahnen, mit wilden grafischen Ornamenten und frischen Farben, wieder an den Wänden, als hätte es die Jahrzehnte einheitsweiß getünchter Wohnungen nie gegeben.
Warum der Wandschmuck wieder von der Rolle kommt, hat mehrere Gründe. Tapeten beleben nicht nur die Zimmer, sie spiegeln auch gesellschaftliche Strömungen. Im aufreibenden Alltag wird die Wohnung zur Rückzugsfestung und somit zur Herzensangelegenheit. "Oft geben die Frauen den Anstoß für den Tapetenwechsel" sagt Klaus Kunkel vom Deutschen Tapeten Institut, der seit Jahren den neuen Kleberausch beobachtet. Aram Radomski betont, dass es dabei nicht nur um Dekoration der Wände gehe, sondern auch um den Ausdruck der Persönlichkeit: "Man definiert den Raum neu." Er selbst zog einst als Fotograf und Theatermann umher, um Motive für Bühnenbilder einzufangen. Meist gab es das, was er suchte nicht in der erforderlichen Größe, also verwendete er ein abfotografiertes Detail und ließ und ließ das Bild auf lange Bahnen ziehen die Geschäftsidee für Berlintapete, eröffnet 2002, war geboren.
Seitdem verhalf er zahlreichen Theatern, Bars, Shops, Ladenlokalen und Galerien zu einem besonderen optische Auftritt, ließ Wände hinter einem Blumenmeer verschwinden, Besucher in eine tiefgrünen Mischwald hineinspazieren oder in ein Korallenmeer eintauchen. Aram Radomskis Markenzeichen sind extrem große Bildausschnitte: "Das große Format verändert den Bildinhalt", sagt er, "das schafft eine neue räumliche Erfahrung."
Doch von seinen eigenen Kreationen allein kann er nicht leben. Hauptsächlich lässt er im Anfang von Privatkunden Fototapeten mit individuellen Motiven drucken. Ob Hauskatze oder Sprössling. Sylt oder Safari - dank digitaler Drucktechnik können aus Schnappschüssen gestochen scharfe Tapeten auf einer Bahnlänge von bis zu 7,50 Meter gezogen werden. Voraussetzung: eine mindestens drei Megapixel große Bilddatei, die an die Agentur geschickt wird. Nach zehn Tagen kommt die Vliestapete samt Klebeanleitung per Haus.