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Feuilleton - Seite 11
Sie sind medial auf dem neuesten Stand, haben als Onlineredakteur, Grafikdesigner, Fotograf, Theatermacher, Mediengestalter gearbeitet. Wie kommt so jemand zum Tapetengeschäft?
ARAM RADOMSKI: Ich war auf der Suche nach einer Marktnische, und zurzeit ist Camouflage sehr modern, es gibt alles in Tarnfarben: Bettbezüge, Badelatschen, Teddybären. Camouflagetapete gab es aber einfach nicht zu kaufen. Also überlegte ich mir, wie man so was selber herstellen könnte. Im Tapetenmuseum Ludwigsburg sagte man mir, dass es jemanden in Deutschland gebe, der Tapetenborten herstellt und der vielleicht auch Camouflage-Tapeten produzieren könnte. Mit dem habe ich Kontakt aufgenommen. Und siehe da, es funktionierte. Da dachte ich mir: Damit kann man mehr machen. Denn inzwischen habe ich festgestellt, dass es nicht nur keine Camouflagetapete gibt. Alles, was an Mustern nicht da ist, könnte man auf Tapete sichtbar machen.
Blumen gehen auch?
Blumen gehen auch. Diese Rosentapete habe ich aus einer alten DDR-Konsumtüte entwickelt. Alles geht. Im Englischen würde man sagen, das ist Wallpaper on Demand, Tapete auf Bestellung. Ob man nun sein eigenes Design entwirft, oder mit einem Grafiker zusammen eine bestimmte Raumvorstellung formuliert, dies alles lässt sich auf Tapete umsetzen. Mit der Idee, Tapete als Medium zu verwenden, bin ich zu meinen beiden Designerkollegen Kathrin Kreitmeyer und Matthias Gerber gegangen, die sich jahrelang mit Mustern und Medien beschäftigen. Ich fragte: "Habt ihr Bock, Millionäre zu werden?" Sie willigten zögerlich ein, unter der Bedingung, dass sie weiterhin schöne Sachen herstellen können, die es noch nicht gibt.
Warum hat das mit den Tapeten bis jetzt noch keiner gemacht?
Weil offensichtlich noch keiner darauf gekommen ist. Wahrscheinlich, weil dieses Produkt Tapete den Beigeschmack von Piefigkeit hatte. In den letzten Jahren wurden Wände ja vor allem mit dieser Schwammtechnik gestaltet. Aber heute kann man eine Hinwendung zum Dekor feststellen. Mit der Auflösung einer Kunstzeitschrift kann man Fotografien, Reproduktionen auf Maß an die Wand bringen, zusammengesetzt aus mehreren Rollen. Kleben muss man zwar allein, für handwerklich Ungeschicktere gibt es aber die Möglichkeit, mit selbst klebender Folie zu arbeiten. Das ist dann allerdings etwas teurer. Normalerweise kostet eine Zehnmeterrolle etwa 65 Euro plus Versand. Das ist so im mittleren Tapetenbereich. Unsere Tapeten verfügen über einen Lichtechtheitsfaktor von 6. Zum Vergleich: Ein Autolack hat 7. Herkömmliche Tapete wird im Tiefdruckverfahren hergestellt. Da quetscht eine Walze Farbe aufs Papier. Wir machen das mit modernster Digitaltechnik, auf High-Tech-Maschinen. Damit sind Designs möglich, die man vorher nicht planen konnte. Jetzt kann man viel größere Rapporte machen, das sind diese Musterwiederholungen, die früher durch den Umfang der Walze bestimmt waren. Wenn Sie in ein Tapetengeschäft gehen und sich die Muster ansehen, klappen Sie die Kataloge wieder zu und sagen: "Das geht alles am Geschmack vorbei. " Denn der ist ja bekanntlich individuell. Deswegen kann nur die individuelle Tapete nicht am Geschmack vorbeigehen. Und wenn, ist man selber schuld.
Man könnte denken, Sie beschäftigen sich seit der Kindheit mit Tapete.
Nicht ganz. Erst seit vier Monaten. Ich habe mich im Kommunikationsdesign ausprobiert, habe viel mit Theater und mit Medien zu tun gehabt, mit Fotografie, Film, Video bis zu Internet. Alles, was Interfacedesign ist. Das, worauf die Augen ruhen, ist mein Arbeitsgebiet. Augen ruhen ja auch auf Tapeten.
Kommt es Ihnen komisch vor, seit vier Monaten vornehmlich über Tapete zu sprechen?
Irgendwie ja. Die Leute halten mich für nicht ganz dicht. "Was macht er denn nun wieder?" Tja, und es geht ja dann noch weiter: Bald kommt die bewegte Lichttapete, die mit Videobeamern an die Wände einer Bar projiziert werden kann. Also animierte psychedelische Entspannungsmuster zu Soundsystemen. Ist doch schön.
Die Fragen stellte Ulrich Seidler.